Nervenzellen bau und funktion verständlich erklärt

Stellen Sie sich unser Gehirn mal wie das komplexeste und zugleich faszinierendste Kommunikationsnetzwerk der Welt vor. Die Hauptakteure in diesem Netzwerk sind die Nervenzellen, auch Neuronen genannt. Sie sind die fundamentalen Boten, die wirklich jeden Gedanken, jedes Gefühl und jede Handlung überhaupt erst möglich machen. Wer also den menschlichen Körper verstehen will, kommt an den Nervenzellen, ihrem Aufbau und ihrer Funktion, nicht vorbei.

Die grundlagen der neuronalen kommunikation

Silhouette eines Kopfes mit leuchtendem Gehirn und Nervenzellen, die Aktivität zeigen.

Nervenzellen sind extrem spezialisierte Zellen – man könnte sagen, sie sind die Grundbausteine unseres gesamten Nervensystems. Ihre Kernaufgabe: Informationen in Form von elektrischen und chemischen Signalen aufzunehmen, zu verarbeiten und blitzschnell weiterzuleiten. Dieses unglaublich präzise Zusammenspiel ist die Basis für alles, was wir tun, von unbewussten Reflexen bis hin zu komplizierten Lernprozessen.

Um die Funktionsweise dieses Systems zu begreifen, muss man sich die schiere Dimension vor Augen führen. Neueste Forschungen gehen davon aus, dass im menschlichen Gehirn etwa 86 Milliarden Nervenzellen arbeiten. Diese Zahl ist nicht nur beeindruckend, sondern auch eine wichtige Grundlage für die medizinische Forschung und klinische Planung.

Was dich in diesem artikel erwartet

Dieser Artikel nimmt dich mit auf eine Reise tief in die Welt der Neuronen. Wir schauen uns den faszinierenden Aufbau und die Funktion von Nervenzellen ganz genau an, um dir ein klares und verständliches Bild zu vermitteln. Du wirst entdecken:

  • Den detaillierten Bauplan: Wir zerlegen eine Nervenzelle in ihre Bestandteile – vom Zellkörper über die Dendriten bis zum Axon.
  • Die elektrische Signalübertragung: Du lernst, wie Nervenimpulse wie das Aktionspotential überhaupt entstehen und weitergeleitet werden.
  • Die Kommunikation an den Synapsen: Wir zeigen dir, wie Neuronen mithilfe von Neurotransmittern miteinander „sprechen“.
  • Klinische Bezüge: Du erfährst, was passiert, wenn die Funktion der Nervenzellen gestört ist, wie zum Beispiel bei Multipler Sklerose.

Unser Ziel ist es, dir nicht nur trockenes Wissen zu vermitteln, sondern ein echtes Gefühl dafür zu geben, welche Prozesse dich zu dem machen, was du bist.

Dieses Wissen ist die perfekte Grundlage, um den Gesamtaufbau des Nervensystems besser zu verstehen. Wenn du noch tiefer einsteigen möchtest, schau dir auch unseren Leitfaden zum Aufbau und zur Funktion des gesamten Nervensystems an. Lass uns nun gemeinsam diese spannende Reise beginnen.

Der detaillierte Bauplan einer Nervenzelle

Um wirklich zu verstehen, wie eine Nervenzelle tickt, müssen wir sie uns wie einen Miniatur-Spezialisten vorstellen, eine winzige Fabrik für Informationsverarbeitung. Vergiss das Bild einer einfachen, runden Zelle. Ein Neuron ist ein hochkomplexes Gebilde mit klar definierten Abteilungen, die alle perfekt aufeinander abgestimmt sind, um Signale in atemberaubender Geschwindigkeit zu verarbeiten.

Der Aufbau ist dabei genial einfach und zugleich unglaublich effizient. Im Grunde lässt sich eine Nervenzelle in drei Bereiche gliedern: eine Empfangsabteilung, ein Verarbeitungszentrum und eine Sendeeinheit. Gemeinsam bilden sie eine Kette, die Botschaften quer durch den Körper schickt – manchmal über einen Meter weit.

Das Soma: die Kommandozentrale der Zelle

Das Herzstück jeder Nervenzelle ist der Zellkörper, den Fachleute auch Soma nennen. Stell es dir als die Schaltzentrale oder das Gehirn des Neurons vor. Hier drin sitzt der Zellkern mit der gesamten genetischen Information, der die Produktion von Proteinen steuert – ein absolut lebenswichtiger Prozess für die Zelle.

Im Soma laufen alle Fäden des Stoffwechsels zusammen. Es stellt sicher, dass die Zelle genug Energie hat und alle Bausteine produziert, die sie für ihre anspruchsvollen Aufgaben braucht. Ohne ein funktionierendes Soma könnte die Nervenzelle weder Signale verarbeiten noch überleben.

Dendriten: die Empfangsantennen des Neurons

Vom Soma aus wachsen unzählige, feine Ästchen in alle Richtungen: die Dendriten. Diese feinen Verästelungen sind die primären Antennen der Nervenzelle. Ihre Mission ist es, Signale von anderen Neuronen einzufangen und zum Zellkörper weiterzuleiten.

Man kann sich Dendriten wie ein weit verzweigtes Wurzelwerk vorstellen, das permanent Informationen aus seiner Umgebung aufsaugt. Je mehr Verzweigungen ein Neuron besitzt, desto mehr Kontakte kann es zu anderen Zellen knüpfen. Genau diese extreme Vernetzung ist das Geheimnis hinter der komplexen Informationsverarbeitung in unserem Gehirn.

Eine typische Nervenzelle hat einen Zellkörper (Soma), etliche Dendriten und meistens nur ein einziges, langes Axon. Einzelne Neuronen können tausende, manchmal sogar bis zu 10.000 Synapsen ausbilden – ein Beweis für ihre gewaltige Vernetzungskapazität. Das erklärt auch, warum schon der Verlust weniger Neuronen zu spürbaren Problemen führen kann. Mehr über die faszinierende Welt des Gehirns erfährst du auf den Seiten des Max-Planck-Instituts.

Das Axon: die Datenautobahn

Sobald im Soma genügend Signale von den Dendriten eintreffen und einen bestimmten Schwellenwert knacken, feuert die Zelle einen elektrischen Impuls ab. Dieser Impuls rast dann über das Axon davon, einen langen, einzelnen Fortsatz, der wie ein Kabel vom Soma ausgeht. Das Axon ist sozusagen die zentrale Datenautobahn der Nervenzelle.

Anders als die vielen kurzen Dendriten ist das Axon meist sehr lang und unverzweigt, bis es sich ganz am Ende aufspaltet. Seine Aufgabe: Das elektrische Signal, das sogenannte Aktionspotential, schnell und ohne Verluste über weite Strecken zu transportieren – vom Rückenmark bis in die Zehenspitze.

Die Myelinscheide: der Geschwindigkeits-Booster

Viele Axone sind von einer besonderen Schutzschicht umgeben, der Myelinscheide. Diese Hülle besteht aus spezialisierten Zellen und funktioniert ganz ähnlich wie die Gummi-Isolierung eines Stromkabels. Sie verhindert, dass das elektrische Signal unterwegs verloren geht. Aber sie kann noch viel mehr:

  • Höhere Leitungsgeschwindigkeit: Die Myelinscheide ist in regelmäßigen Abständen durch die sogenannten Ranvier-Schnürringe unterbrochen.
  • Saltatorische Erregungsleitung: Das elektrische Signal springt blitzschnell von einem Schnürring zum nächsten. Das katapultiert die Übertragungsgeschwindigkeit auf bis zu 120 Meter pro Sekunde.

Diese extrem schnelle, hüpfende Weiterleitung nennt man saltatorische Erregungsleitung. Sie ist der Grund, warum wir unsere Hand reflexartig von einer heißen Herdplatte wegziehen können. Bei Krankheiten wie Multipler Sklerose wird genau diese Myelinscheide angegriffen und zerstört, was die Signalübertragung dramatisch verlangsamt.

Axonterminalen und Synapsen: die Übergabestationen

Ganz am Ende teilt sich das Axon in mehrere feine Endigungen auf, die Axonterminalen oder Endknöpfchen. Hier sitzen die Synapsen – hochspezialisierte Kontaktstellen, an denen die Information an die nächste Zelle weitergegeben wird. Sie sind die Sendestationen des Neurons.

Kommt ein elektrischer Impuls am Axonterminal an, wird die Ausschüttung von chemischen Botenstoffen, den Neurotransmittern, ausgelöst. Diese überqueren einen winzigen Spalt zur nächsten Zelle und überbringen dort ihre Nachricht. Damit schließt sich der Kreis und zeigt, wie perfekt der Bau der Nervenzelle auf ihre Funktion als Informationsträgerin ausgelegt ist.

Um diesen komplexen Aufbau noch einmal zu verdeutlichen, haben wir die wichtigsten Bauteile und ihre Aufgaben in einer Tabelle zusammengefasst.

Bestandteile eines Neurons und ihre Hauptfunktionen

Diese Tabelle fasst die wichtigsten Komponenten einer Nervenzelle und ihre jeweilige Hauptaufgabe im Prozess der Informationsverarbeitung zusammen.

Bestandteil Hauptfunktion Analogie
Soma (Zellkörper) Steuert die Zellaktivität und den Stoffwechsel. Kommandozentrale oder Fabrikleitung
Dendriten Empfangen Signale von anderen Neuronen. Empfangsantennen oder Wurzelwerk
Axon Leitet elektrische Impulse über weite Strecken weiter. Datenautobahn oder Hochgeschwindigkeitskabel
Myelinscheide Isoliert das Axon und beschleunigt die Signalübertragung. Isolierung eines Kabels
Synapse Übergibt das Signal an die nächste Zelle. Sendestation oder Übergabepunkt

Jede dieser Komponenten spielt eine unverzichtbare Rolle und sorgt dafür, dass unser Nervensystem als Ganzes reibungslos funktioniert. Vom einfachen Gedanken bis zur komplexen Bewegung – alles beginnt mit diesem ausgeklügelten Bauplan.

Wie nervenzellen elektrische signale erzeugen

Nachdem wir uns den Bauplan einer Nervenzelle angeschaut haben, wird es jetzt richtig dynamisch. Wir tauchen ein in die faszinierende Welt der neuronalen Elektrizität. Man kann sich jede einzelne Nervenzelle wie eine winzige, biologische Batterie vorstellen, die permanent geladen und bereit ist, auf ein Signal zu feuern. Genau dieser Zustand ist die Grundlage für jede Kommunikation in unserem Nervensystem.

Der Schlüssel zum Verständnis liegt in der elektrischen Spannung, die über die Zellmembran hinweg besteht. Diese Spannung entsteht, weil geladene Teilchen – die Ionen – innen und außen ungleich verteilt sind. Aber wie genau schafft es die Zelle, diesen geladenen Zustand aufrechtzuerhalten?

Das Ruhepotential als Zustand geladener Bereitschaft

Stell dir eine gespannte Feder vor, die nur darauf wartet, loszuschnellen. Genau das ist das Ruhepotential einer Nervenzelle. Ein Zustand der "geladenen Bereitschaft", in dem das Neuron auf ein eintreffendes Signal wartet. Im Ruhezustand ist das Innere der Zelle im Vergleich zur Außenseite negativ geladen – typischerweise bei etwa -70 Millivolt.

Diese negative Ladung ist das Ergebnis eines präzise ausbalancierten Spiels verschiedener Ionen. Im Zellinneren finden wir vor allem negativ geladene Proteine und eine hohe Konzentration an positiven Kalium-Ionen (K+). Außerhalb der Zelle dominieren hingegen positive Natrium-Ionen (Na+) und negative Chlorid-Ionen (Cl-).

Dieses empfindliche Ionengleichgewicht ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis eines unermüdlichen Arbeiters in der Zellmembran: der Natrium-Kalium-Pumpe.

Dieser aktive Transporter pumpt unter ständigem Energieverbrauch Natrium-Ionen aus der Zelle hinaus und Kalium-Ionen hinein. So hält er den Konzentrationsunterschied aktiv aufrecht und die Zelle bleibt im "Standby-Modus" für den nächsten Impuls.

Die folgende Infografik verdeutlicht diesen Signalweg durch die Hauptbestandteile einer Nervenzelle, beginnend bei den empfangenden Dendriten.

Diagramm zum Aufbau einer Nervenzelle, das die Schritte Dendriten, Soma und Axon mit entsprechenden Symbolen darstellt.

Die Visualisierung zeigt den logischen Fluss der Informationsverarbeitung: Signale werden von den Dendriten aufgenommen, im Soma verarbeitet und als Impuls über das Axon weitergeleitet.

Das Aktionspotential als eigentlicher Nervenimpuls

Was passiert nun, wenn ein Signal von einer anderen Zelle ankommt? Dieser Reiz, der meist an den Dendriten oder am Soma eintrifft, sorgt für eine kurzzeitige Veränderung der Membranspannung. Wenn genügend kleine Signale zusammenkommen und die Spannung an einem kritischen Punkt – dem Axonhügel – über einen bestimmten Schwellenwert heben (etwa -55 Millivolt), geschieht etwas Dramatisches.

Ein Aktionspotential wird ausgelöst. Das ist der eigentliche Nervenimpuls. Stell es dir vor wie den Druck auf den Abzug einer Pistole: Sobald die Schwelle erreicht ist, gibt es kein Zurück mehr. Der Impuls feuert mit voller Stärke.

Dieser Prozess folgt einem ganz klaren Gesetz.

  • Das Alles-oder-Nichts-Prinzip: Ein Aktionspotential wird entweder vollständig mit immer gleicher Stärke ausgelöst oder gar nicht. Es gibt keine "halben" Impulse. Die Stärke eines Reizes wird stattdessen durch die Frequenz der Aktionspotentiale codiert – ein starker Reiz führt einfach zu mehr Impulsen pro Sekunde.

Die Phasen des Aktionspotentials

Der Ablauf eines Aktionspotentials ist eine blitzschnelle Kettenreaktion, die nur wenige Millisekunden dauert und in ganz klaren Phasen abläuft.

  1. Depolarisation: Sobald der Schwellenwert erreicht ist, öffnen sich schlagartig spannungsgesteuerte Natriumkanäle. Positiv geladene Natrium-Ionen strömen lawinenartig in die Zelle, wodurch das Zellinnere plötzlich positiv wird (bis ca. +30 Millivolt).
  2. Repolarisation: Fast im selben Moment schließen sich die Natriumkanäle wieder und Kaliumkanäle öffnen sich. Jetzt strömen positive Kalium-Ionen aus der Zelle hinaus, wodurch die Spannung wieder sinkt und das Zellinnere erneut negativ wird.
  3. Hyperpolarisation: Die Kaliumkanäle schließen sich etwas verzögert, sodass kurzzeitig mehr Kalium ausströmt als nötig. Dadurch wird die Zelle für einen kurzen Moment sogar negativer als im Ruhezustand.
  4. Refraktärzeit: Direkt nach einem Aktionspotential ist die Zelle für eine kurze Zeitspanne nicht erneut erregbar. Diese Refraktärzeit ist extrem wichtig, denn sie stellt sicher, dass der Impuls nur in eine Richtung läuft – vom Soma zum Axonende – und verhindert ein heilloses "Signal-Chaos".

Die Fortpflanzung des Impulses wie eine Dominokette

Ein Aktionspotential entsteht nicht überall gleichzeitig, sondern an einem einzigen Punkt, dem Axonhügel. Von dort pflanzt es sich entlang des gesamten Axons fort. Die beste Analogie dafür ist eine umfallende Dominokette.

Die Depolarisation an einer Stelle des Axons löst eine Depolarisation im unmittelbar benachbarten Membranabschnitt aus. Dieser Prozess wiederholt sich immer weiter, sodass der elektrische Impuls wie eine Welle über das Axon wandert, ohne an Stärke zu verlieren. Bei Axonen mit einer Myelinscheide springt dieser Impuls sogar von einer Lücke (Ranvier-Schnürring) zur nächsten, was die Geschwindigkeit enorm erhöht.

Dieser ausgeklügelte Mechanismus stellt sicher, dass der Nervenzellen Bau und ihre Funktion perfekt ineinandergreifen, um Informationen zuverlässig und blitzschnell zu übermitteln. Die Erzeugung elektrischer Signale ist also kein passiver Vorgang, sondern ein hochdynamischer und präzise gesteuerter Prozess – die Grundlage für unser gesamtes Denken, Fühlen und Handeln.

Die synapsen als schaltstellen der kommunikation

Nachdem ein elektrischer Impuls, das Aktionspotential, das Axon entlanggerast ist, steht er vor einer entscheidenden Hürde: der Lücke zur nächsten Zelle. Genau hier, an den Synapsen, findet die eigentliche Magie der Informationsverarbeitung statt. An diesen winzigen, hochspezialisierten Schaltstellen wird das elektrische Signal in ein chemisches umgewandelt und wieder zurück, um die Botschaft zu übermitteln.

Dieser Übergang ist der Kernpunkt neuronaler Kommunikation und die Grundlage für alles, was uns ausmacht – vom Lernen über die Gedächtnisbildung bis hin zur kleinsten Entscheidung. Die schiere Anzahl dieser Verbindungen ist atemberaubend: Schätzungen gehen von bis zu 100 Billionen Synapsen im menschlichen Gehirn aus. Jede einzelne davon trägt zur unglaublichen Rechenleistung unseres Nervensystems bei.

Detaillierte 3D-Darstellung einer Synapse, die Neurotransmitter zur neuralen Kommunikation freisetzt.

Der ablauf der synaptischen übertragung

Stell dir die synaptische Übertragung wie die Übergabe eines Staffelstabs bei einem Wettrennen vor – nur dass der Stab hier ein Päckchen voller chemischer Botenstoffe ist. Der gesamte Prozess folgt dabei einem präzisen, sekundenschnellen Protokoll.

Der winzige Raum zwischen der sendenden Zelle (präsynaptische Membran) und der empfangenden Zelle (postsynaptische Membran) wird synaptischer Spalt genannt. Er ist nur etwa 20-30 Nanometer breit – ein winziger Graben, der überwunden werden muss.

Der Prozess lässt sich in vier zentrale Schritte unterteilen:

  1. Ankunft des Signals: Das Aktionspotential erreicht das Axonterminal der sendenden Nervenzelle.
  2. Freisetzung der Botenstoffe: Diese elektrische Erregung öffnet spannungsgesteuerte Calciumkanäle. Der Einstrom von Calcium-Ionen (Ca2+) ist das entscheidende Signal für kleine Bläschen (Vesikel), die mit Neurotransmittern gefüllt sind, zur präsynaptischen Membran zu wandern.
  3. Verschmelzung und Ausschüttung: Die Vesikel verschmelzen mit der Zellmembran und schütten ihre Fracht, die Neurotransmitter, in den synaptischen Spalt aus. Dieser Vorgang ist ein klassisches Beispiel für Exozytose. Wenn du die zellulären Transportmechanismen auffrischen möchtest, bietet unser Artikel über Endozytose und Exozytose eine einfache Erklärung.
  4. Andocken und Signal auslösen: Die freigesetzten Neurotransmitter schwirren durch den Spalt und binden an spezifische Rezeptoren an der Membran der empfangenden Zelle. Das funktioniert ganz nach dem bekannten Schlüssel-Schloss-Prinzip.

Sobald der Neurotransmitter angedockt hat, öffnen sich Ionenkanäle an der postsynaptischen Membran. Das führt zu einer Spannungsänderung in der Empfängerzelle – die Botschaft ist erfolgreich übermittelt.

Erregende und hemmende signale

Aber nicht jede Botschaft ist gleich. Ein Neurotransmitter kann die nächste Zelle entweder dazu anspornen, selbst ein Signal zu feuern, oder sie gezielt davon abhalten. Man unterscheidet daher zwischen zwei fundamentalen Arten von Signalen.

Erregende Synapsen (EPSP)
An erregenden Synapsen sorgt die Bindung des Neurotransmitters (z.B. Glutamat) dafür, dass positive Ionen wie Natrium in die Zielzelle einströmen. Das führt zu einer leichten Depolarisation der Membran und erzeugt ein exzitatorisches postsynaptisches Potential (EPSP). Ein EPSP bringt die Zelle also näher an den Schwellenwert, der für die Auslösung eines neuen Aktionspotentials nötig ist.

Stell dir ein EPSP wie einen kleinen Schubs vor, der die Empfängerzelle in Richtung "Feuern" bewegt. Ein einzelner Schubs reicht meist nicht aus, aber viele Schübe in kurzer Zeit können die Zelle über die Schwelle bringen.

Hemmende Synapsen (IPSP)
Im Gegensatz dazu bewirken Neurotransmitter an hemmenden Synapsen (z.B. GABA), dass negative Ionen (wie Chlorid) in die Zelle strömen oder positive Ionen (wie Kalium) hinauswandern. Das Resultat ist eine Hyperpolarisation der Membran – sie wird noch negativer. Dieser Zustand wird inhibitorisches postsynaptisches Potential (IPSP) genannt und macht es für die Zelle deutlich schwieriger, ein Aktionspotential auszulösen.

Ein IPSP wirkt im Grunde wie eine Bremse. Es stabilisiert die Zelle und hält sie davon ab, auf erregende Signale überstürzt zu reagieren.

Vergleich von erregenden und hemmenden synapsen

Die gegensätzlichen Rollen von exzitatorischen (EPSP) und inhibitorischen (IPSP) Potentialen werden im direkten Vergleich besonders deutlich. Hier siehst du auf einen Blick, wie sie die Zielzelle beeinflussen.

Merkmal Erregende Synapse (EPSP) Hemmende Synapse (IPSP)
Wirkung auf Membranpotential Depolarisation (wird positiver) Hyperpolarisation (wird negativer)
Ionenfluss (typisch) Einstrom von positiven Na+-Ionen Einstrom von negativen Cl--Ionen oder Ausstrom von positiven K+-Ionen
Nähe zum Schwellenwert Bringt die Zelle näher an den Schwellenwert Entfernt die Zelle weiter vom Schwellenwert
Funktion Fördert die Auslösung eines Aktionspotentials Hemmt die Auslösung eines Aktionspotentials
Typischer Neurotransmitter Glutamat, Acetylcholin (im Muskel) GABA, Glycin

Dieser ständige Wettstreit zwischen Gas und Bremse ist die Grundlage dafür, wie unser Nervensystem Informationen verarbeitet und filtert.

Die kunst der summation

Keine Nervenzelle hört nur auf ein einziges Signal. Stattdessen erhält sie an ihren Tausenden von Dendriten ständig eine Mischung aus erregenden und hemmenden Impulsen von unzähligen anderen Neuronen. Ob sie selbst feuert, hängt davon ab, wie sie all diese eingehenden Informationen verrechnet. Dieser Prozess wird Summation genannt.

Dabei gibt es zwei grundlegende Mechanismen:

  • Räumliche Summation: Mehrere Synapsen an verschiedenen Stellen des Neurons feuern gleichzeitig. Ihre einzelnen kleinen Potentiale (EPSPs und IPSPs) laufen am Axonhügel zusammen und werden dort aufaddiert.
  • Zeitliche Summation: Eine einzelne Synapse feuert in sehr schneller Folge. Die aufeinanderfolgenden Potentiale summieren sich, bevor das vorherige abklingen konnte.

Übersteigt die Summe aller EPSPs die Summe aller IPSPs und wird der Schwellenwert erreicht, feuert das Neuron. Überwiegen hingegen die hemmenden Signale, bleibt die Zelle stumm. Diese pausenlose Verrechnung ist die Grundlage für jede komplexe Entscheidung im Gehirn und macht die Synapse zur fundamentalen Einheit der Informationsverarbeitung.

Was passiert, wenn Nervenzellen erkranken?

Nachdem wir uns den präzisen Bau und die faszinierende Funktion gesunder Nervenzellen angeschaut haben, schlagen wir jetzt die Brücke zur medizinischen Realität. Was geschieht eigentlich, wenn dieses hochkomplexe System gestört wird? Die Folgen sind oft gravierend und machen schmerzlich bewusst, wie entscheidend gesunde Neuronen für unser tägliches Wohlbefinden sind.

Erkrankungen, die den Bau und die Funktion von Nervenzellen beeinträchtigen, können sich auf ganz unterschiedliche Weise zeigen. Manchmal zerstören sie die „Isolierung“ der Datenleitungen, manchmal lassen sie ganze Zellpopulationen absterben oder blockieren schlicht die Kommunikation an den Synapsen.

Wenn die Isolierung versagt: Multiple Sklerose

Ein klassisches Beispiel für eine gestörte Signalweiterleitung ist die Multiple Sklerose (MS). Bei dieser Autoimmunerkrankung hat es das eigene Immunsystem auf die Myelinscheiden abgesehen – also genau jene schützende Isolierschicht, die sich um die Axone wickelt.

Stell dir einfach ein Hochgeschwindigkeits-Datenkabel vor, dessen Isolierung an mehreren Stellen brüchig wird. Die Signale kommen nur noch verlangsamt, fehlerhaft oder im schlimmsten Fall gar nicht mehr am Ziel an. Genau das passiert bei MS: Die saltatorische Erregungsleitung bricht zusammen, was zu einer ganzen Palette neurologischer Symptome wie Muskelschwäche, Sehstörungen oder Taubheitsgefühlen führt.

Wenn Zellen absterben: Neurodegenerative Erkrankungen

Eine andere große Gruppe von Erkrankungen dreht sich um den fortschreitenden Verlust von Nervenzellen. Bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson sterben spezifische Neuronenpopulationen im Gehirn nach und nach einfach ab.

  • Bei Alzheimer trifft es vor allem die Nervenzellen, die für Gedächtnis und Lernen zuständig sind. Der Verlust dieser Zellen ist die Ursache für die bekannten kognitiven Defizite.
  • Bei Parkinson sterben Dopamin-produzierende Neuronen in einer Region ab, die unsere Bewegungen steuert. Das Resultat sind Symptome wie das typische Zittern, Muskelsteifheit und verlangsamte Bewegungen.

Der plötzliche Zelltod durch Sauerstoffmangel, wie er bei einem Schlaganfall auftritt, ist eine weitere verheerende Form der neuronalen Schädigung. Hier zählt jede Minute, um den Schaden zu begrenzen, denn abgestorbene Nervenzellen kann der Körper nur sehr, sehr begrenzt ersetzen.

Auch Tumoren können das zentrale Nervensystem direkt schädigen. Allein im Jahr 2020 wurden in Deutschland rund 3.250 Frauen und 4.080 Männer mit bösartigen Tumoren des zentralen Nervensystems registriert. Diese Zahlen machen die enorme Belastung durch Krankheiten, die Neuronen direkt betreffen, mehr als deutlich, wie du in den Statistiken des Robert Koch-Instituts nachlesen kannst.

Wenn Nervenzellen erkranken und die Wahrnehmung eingeschränkt ist, können therapeutische Ansätze wie die Basale Stimulation eingesetzt werden, um die Kommunikation und Interaktion zu fördern. Die Forschung arbeitet unermüdlich daran, Wege zu finden, um unsere wertvollen Nervenzellen besser zu schützen und vielleicht sogar Regenerationsprozesse anzustoßen. Ein entscheidender Schutzfaktor für das Gehirn ist dabei die hochselektive Barriere zwischen Blutkreislauf und Nervengewebe, über die du mehr in unserem Artikel zur Blut-Liquor-Schranke erfährst.

Häufig gestellte Fragen zu Nervenzellen

Nach diesem tiefen Tauchgang in die Welt der Neuronen bleiben oft noch ein paar ganz konkrete Fragen offen. Damit du dein Wissen festigen und die letzten Unklarheiten aus dem Weg räumen kannst, haben wir hier die häufigsten Fragen für dich beantwortet.

Können sich Nervenzellen regenerieren?

Die Frage nach der Reparaturfähigkeit von Nervenzellen ist ein riesiges Thema in der Forschung. Lange Zeit hielt sich das Dogma, dass einmal verlorene Neuronen im Gehirn und Rückenmark für immer weg sind. Das stimmt so pauschal aber nicht mehr.

Klar ist: Eine komplette Neubildung von Nervenzellen, die Neurogenese, findet bei Erwachsenen nur noch in ganz wenigen Nischen im Gehirn statt. Anders sieht es aber im peripheren Nervensystem aus, also bei den Nerven in Armen und Beinen. Hier können verletzte Axone unter guten Bedingungen tatsächlich langsam nachwachsen. Im Gehirn ist diese Fähigkeit aber extrem eingeschränkt, was die dramatischen Folgen von Schlaganfällen oder neurodegenerativen Erkrankungen erklärt.

Was ist der Unterschied zwischen Nervenzelle und Nervenfaser?

Hier kommt es oft zu Verwechslungen, obwohl die Begriffe zwei verschiedene Dinge beschreiben. Eine Nervenzelle, also ein Neuron, ist die komplette Zelle – mit Zellkörper, Dendriten und dem Axon. Sie ist quasi die Recheneinheit.

Eine Nervenfaser hingegen meint meist nur das Axon zusammen mit seiner isolierenden Hülle, der Myelinscheide. Man kann es sich wie ein isoliertes Kabel vorstellen.

Bündelt man viele dieser "Kabel", also der Nervenfasern, erhält man einen peripheren Nerv, wie wir ihn aus dem Arm oder Bein kennen. Die Nervenfaser ist also der spezialisierte Teil der Nervenzelle für die blitzschnelle Signalweiterleitung.

Wie beeinflussen Medikamente die Synapsen?

Viele Medikamente, allen voran Psychopharmaka, wirken genau dort, wo die Magie passiert: an den Synapsen. Sie mischen sich ganz gezielt in die Kommunikation zwischen den Neuronen ein, um die Signalübertragung zu verändern.

Dafür gibt es verschiedene Tricks:

  • Wiederaufnahme hemmen: Bestimmte Antidepressiva (SSRIs) blockieren die Transporter, die Serotonin wieder aus dem synaptischen Spalt zurück in die Zelle schaffen. Der Botenstoff bleibt dadurch länger aktiv und seine Wirkung wird verstärkt.
  • Rezeptoren blockieren: Andere Wirkstoffe setzen sich auf die Rezeptoren der Empfängerzelle, ohne sie zu aktivieren. Sie wirken wie ein Schlüssel, der im Schloss steckt und es blockiert, sodass der eigentliche Neurotransmitter nicht mehr andocken kann.
  • Neurotransmitter nachahmen: Manche Substanzen sind den körpereigenen Botenstoffen chemisch so ähnlich, dass sie an deren Rezeptoren andocken und eine ähnliche Wirkung auslösen können.

Diese gezielte Manipulation ist der Schlüssel zur Behandlung unzähliger neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen. Um die Qualität und Verlässlichkeit deiner wissenschaftlichen Arbeit zu gewährleisten, ist das Auffinden der richtigen Quellen unerlässlich. Hier findest du weiterführende Informationen, um Wissenschaftliche Quellen effektiv finden zu können.


Wir hoffen, dieser Artikel hat dir einen klaren Einblick in die faszinierende Welt der Nervenzellen gegeben. Wenn du deine Begeisterung für Anatomie auch in deinem Alltag zeigen möchtest, entdecke bei Animus Medicus unsere einzigartigen, im Vintage-Stil designten Anatomie-Poster und Accessoires. Besuche jetzt unseren Shop und finde das perfekte Stück, um deine Leidenschaft für die Medizin kunstvoll auszudrücken.